Monika Führer und Nari Heitkamp machen sich Gedanken über Kraft- und Sinnquellen

Jeden Monat schreiben Projektträger zu einem bestimmten Stichwort. Im April machen sich Prof. Dr. Monika Führer und Dr. Nari Heitkamp vom Kinderpalliativzentrum München Gedanken über Kraft- und Sinnquellen.

Die eigenen Leitsterne im Leben (wieder-)entdecken, sich daran zu erinnern: Was ist mir wichtig im Leben? Was macht mein Leben bedeutsam und sinnvoll?  (© Foto: Natalie Maraji)

Die eigenen Sterne polieren
„Wer ein Warum im Leben hat, erträgt fast jedes Wie“ besagt ein bekanntes Zitat von Friedrich Nietzsche. Aber was, wenn einem das „Warum“ abhandenkommt? Verloren, überdeckt von Jahren voller Sorgen, Ängste, körperlicher Anstrengung, Schlafmangel, piepsenden Apparaten, Spritzen, die aufgezogen werden müssen, Schläuchen, die gereinigt werden müssen, Krämpfen, die kontrolliert werden müssen? Was, wenn das eigene Kind unheilbar erkrankt ist und es täglich und nächtlich so viel zu stemmen gilt, dass man oft nicht einmal dazu kommt, auf die Toilette zu gehen, zu duschen oder auch nur einen Schritt weiter zu denken als an das, was gerade jetzt für das Kind wichtig ist?

Die eigenen Sterne polieren: Gerade dann ist es so wichtig, seine eigenen Leitsterne im Leben (wieder) zu entdecken, sich daran zu erinnern, was ist mir wichtig im Leben? Was macht mein Leben bedeutsam und sinnvoll? Und schlussendlich auch, wie möchte ich leben, sodass ich rückblickend sagen kann, ja, es war richtig so, all die Anstrengungen waren es wert? Denn das Wissen um die eigenen Werte ist eine enorme Kraft- und Sinnquelle und ein wichtiger Faktor, schwierige Zeiten zu überstehen. Genau diesen Blick auf die eigenen (Sinn-)Ressourcen unterstützt Sternstunden im Projekt „Lebenssinn“ für Eltern, deren Kinder im Kinderpalliativzentrum München betreut werden. Statt den Finger auf Defizite und wunde Punkte zu legen, werden die beteiligten Eltern dazu angeleitet, den Blick wieder zu heben, um Kraft aus ihren Werten schöpfen zu können und ihren Alltag und ihre Gedanken an der Strahlkraft ihrer eigenen Leitsterne zu orientieren.

Das Team des Kinderpalliativzentrums (© Foto: LMU Klinikum München Kinderpalliativzentrum )

Dies geschieht mittels einer innovativen Methode, die ursprünglich in der Erwachsenen-Palliativmedizin vom Psychologen Prof. Martin Fegg entwickelt wurde: die „Schedule for Meaning in Life Evaluation“, abgekürzt „SMILE“. Mit dieser Methode werden die Eltern angeregt, die für Ihren Lebenssinn wichtigen Bereiche und ihre Zufriedenheit damit zu benennen. Daraus entspannt sich im Gespräch mit der Therapeutin das Tableau der vorhandenen intrapsychischen Sinn-Ressourcen der Eltern – Ressourcen, zu denen oft der Zugriff verloren gegangen war. Viele Eltern nennen in diesen Gesprächen trotz aller Belastungen gerade ihr schwer krankes Kind als eine der wichtigsten Quellen ihres Lebenssinns. Aber auch Zeit mit dem Partner, der die Last mitträgt oder emotional bedeutsame Kontakte zu (einem) Menschen aus dem Freundeskreis oder der Familie werden als wichtige Sinn-Ressourcen angesehen. In ihrem hochbelasteten Alltag ist vielen Eltern der Zugang zu den sinnstiftenden Bereichen ihres Lebens verloren gegangen. So waren z.B. in einer Familie die Kontakte zur Großfamilie, die große, sinnstiftende Bedeutung hatten, wegen der Krankheit des Kindes seltener geworden. Diese Eltern wünschten sich, dass die ganze Großfamilie zusammenkommt und dies auch fotografisch festgehalten wird, was unser psychosoziales Team organisieren konnte. So versucht dieses Projekt auch ganz praktisch, die Eltern darin zu unterstützen, dass die sinnstiftenden Bereiche wieder mehr Raum in ihrem Leben bekommen. Ohne Sternstunden wäre dieses Projekt nie möglich geworden.

Prof. Dr. Monika Führer (re.) ist Leiterin des Kinderpalliativzentrums der LMU Klinikum München; Dr. Nari Heitkamp arbeitet dort als Psycholinguistin und Logotherapeutin (© Foto: LMU Klinikum München Kinderpalliativzentrum)

Meldung erstellt am: 15. April 2024