Jochen Fischer macht sich Gedanken über eine Berufsschule „Plus“

Jeden Monat schreiben Projektträger zu einem bestimmten Stichwort. Im September macht sich Jochen Fischer der Lebenshilfe Regen Gedanken über eine Berufsschule "Plus" für geistige Entwicklung. 

Anfang 2024 wird sie fertig sein, die Berufsschule „Plus“. Das Plus bedeutet, dass in diesem Haus auch inklusive Jugendarbeit, die Offenen Hilfen und Teile des ambulanten Wohnens mit integriert sein werden. (© Foto: Lebenshilfe Regen e.V.)

Als wir, die Lebenshilfe Regen e.V.,  ab 2010 einen Ersatzneubau unserer in die Jahre gekommenen Christophorus-Schule in Regen/Schweinhütt gedanklich vorangetrieben haben, haben wir uns nach den alten Mustern gerichtet: ein Heilpädagogisches Zentrum mit Schule und Tagesstätte für jede Altersgruppe (3-21 Jahre). Es sollte hell und großzügig werden und den Schülern viele Fördermöglichkeiten bieten, darin waren wir uns alle einig. Letzteres haben wir sicherlich erreicht, aber einige unserer alten Gedanken mussten neuen Wirklichkeiten angepasst werden und diese wurden von unseren Schülern und unseren Mitarbeiter eingeleitet.

2014, als unsere anfänglichen Gedanken für die Umsetzung fertig waren, wurden alle Schüler an sechs verschiedenen Standorten im Landkreis (Regelschulen und eine alte Näherei – sehr ländlich) provisorisch untergebracht, damit wir mit dem Abriss unserer Schule starten konnten. Ein Abenteuer für alle Beteiligten. Nach dem Abriss begannen wir mit dem Neubau: großzügiger Zentralbereich, vier Waben für unsere unterschiedlichen Schulstufen (von Schulvorbereitender Einrichtung bis zur Berufsschulstufe) u.v.m.

Das Heilpädagogische Zentrum mit Schule und Tagesstätte hat zusätzlich einen schönen und großen Pausenbereich erhalten (© Foto: Lebenshilfe Regen e.V.)

Unsere Berufsschulstufe (junge Menschen zwischen 15-21 Jahre) wurde in der alten Näherei untergebracht, die wir entsprechend hergerichtet haben. Schon drei bis vier Monate nach Baubeginn meldete sich unsere Berufsschulstufe mit einem Herzensanliegen: „Wir wollen nicht mehr zurück in das alte System und zu den kleinen Kindern, wir möchten selbständig mit jungen Erwachsenen zusammen sein, wir wollen in die Stadt. Können wir nicht - wie alle jungen Menschen - in der bestehenden Berufsschule in Regen untergebracht werden?“ Da kam Freude auf und wir waren nicht sicher, ob wir diesem durchaus berechtigten Wunsch noch gerecht werden konnten. Die Rücksprache mit unserem Architekten ergab, dass es kein großes Problem wäre, eine Wabe wegzulassen. Es müsste aber sehr schnell entschieden werden. Wir prüften dann tatsächlich dieses Anliegen, sind auf den Landkreis zugegangen und tatsächlich war Platz in der alten Berufsschule und eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden, mit inklusivem Hintergedanken etwas Neues zu verwirklichen. Nach Abklärung mit der Regierung und dem Ministerium haben wir entschieden, die Räumlichkeiten für die Berufsschulstufe beim Ersatzneubau wegzulassen und wir versuchten, sie in der bestehenden, "normalen" Berufsschule im Landkreis Regen zu integrieren. Das war der Plan.
2015 kam die große Flüchtlingswelle und der Landkreis Regen hat viele junge Menschen aufgenommen. Viele von ihnen wurden in der Berufsschule in Regen unterrichtet und nun war der Platz für uns nicht mehr da.

Hier werden ab 2024 20–30 Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr einen Beruf in den Bereichen Hauswirtschaft, Metall und Holz erlernen, um nach einem erfolgreichen Abschluss in einem Betrieb des Ersten Arbeitsmarkts eine Anstellung zu bekommen (© Foto: Lebenshilfe Regen e.V.)

Als wir unsere neue Schule im Jahr 2016 eingeweiht haben, blieben unsere Berufsschüler in der alten Näherei und wir suchten weiter nach geeigneten Möglichkeiten. Bis Ende 2017 wurden unterschiedlichste Projekte und Altbauten geprüft. Bei einer Begehung der Räumlichkeiten der „normalen“ Berufsschule Ende 2017 mit Regierung, Landkreis usw. wurde festgestellt, dass dort, wo Platz wäre, unsere Jugendlichen aus vielen Gründen - Barrierefreiheit, Kosten - nicht untergebracht werden können. An diesem Tag entstand die Idee eines Neubaus, eine Berufsschule „Plus“ für unsere Schüler. Das Plus bedeutet, dass in diesem Haus auch inklusive Jugendarbeit, die Offenen Hilfen, die sehr viel im inklusiven Freizeitbereich wirken, und Teile des ambulanten Wohnens mit integriert werden sollten. Es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit bei vielen behördlichen Stellen, aber wir haben es geschafft, dieses Projekt durchzusetzen. Ohne die finanzielle Unterstützung von Sternstunden wäre dies so nicht möglich gewesen – es ist ein Leuchtturmprojekt in Bayern. Anfang 2024 können wir einziehen und endlich die neue Berufsschule „Plus“ mitten in der Stadt Regen genießen. 

Ergebnis dieser Odyssee: Unsere neue Schule in Schweinhütt hat durch den Verzicht auf die Berufsschulstufe zusätzlich einen schönen und großen Pausenbereich erhalten. Der integrative Kindergarten konnte ebenso mit eingebunden werden und die erste Berufsschule „Plus“ für geistige Entwicklung wurde verwirklicht.

Gut, dass wir auf unsere Schülerinnen und Schüler sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört haben. Es hat sich gelohnt!

Jochen Fischer ist Geschäftsführer der Lebenshilfe Regen e.V. (© Foto: Lebenshilfe Regen e.V.)

Meldung erstellt am: 19. September 2023